GameDesign-Documents für Ein-Personen-Projekte erstellen

Wie organisiert man als Indie-Entwickler Ideen und Konzepte am besten? Während große Firmen auf komplexe netzwerkbasierte Systeme zurückgreifen können, scheint das für Indie-GameDesign, also sehr kleine Teams oder Ein-Mann-Projekte, übertrieben. Dennoch macht es auch im kleinen Rahmen Sinn, Konzepte strukturiert anzulegen und zu organisieren. Bisher habe ich letztlich einfach auf Dateiordner mit Bildern, Links, Dateien sowie Word-Dokumenten zurück gegriffen. In letzter Zeit hatte ich jedoch den Eindruck, dass es noch andere Ansätze geben müsste, die sich vielleicht besser eignen. Nach diversen Experimenten mit Online- und Offline-Tools bin ich momentan beim kostenlosen WikidPad gelandet. Im folgenden Artikel beschreibe ich einige Ideen und Gedankengänge zu Anforderungen und Lösungsmöglichkeiten der GameDesign-Dokumenterstellung für Indie-Spieleentwicklung.

Hintergrund

Ein Game Design Document (GDD) ist ein Dokument, das das Konzept eines Computerspiels beschreibt. Es gibt Auskunft über das Genre, das Design, die Geschichte und Charaktere, aber auch die Spielmechanik und ggf. sogar Details zur Projektorganisation und -planung. Ein GDC kann zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden. Einerseits kann es, wie z.B. auch das Storyboard, dazu eingesetzt werden, um anderen die Idee zu verkaufen. Dabei geht es manchmal darum Geldgeber oder Investoren zu finden oder manchmal auch um z.B. Produktions- und Projektpartner ins Boot zu holen. Im diesem Artikel zugrunde liegenden Fall war die Sache etwas einfacher: Ich schreibe GDDs zunächst hauptsächlich, um eine Idee für mich selbst zu entwickeln und Gedanken zu organisieren. Oft entwickeln sich Ideen über Monate oder Jahre hinweg und parallel zur Arbeit an anderen Projekten. Um den Überblick zu behalten, die Idee nicht zu verlieren und den Kopf trotzdem für neue Gedanken frei zu bekommen, ist es ratsam die Gedanken niederzuschreiben.

Anforderungen

Um so mehr Ideen zusammen kommen, um so komplexer wird die Angelegenheit und es tauchen einige Problem auf:

  • Gedanken sind fragmentiert. Ein Spieldesign besteht nicht nur aus einem einzigen großen Textbaustein, sondern aus vielen Elementen, z.B. Handlungsabschnitten, Charakteren, Schauplätzen, Spielobjekten, technischen und gestalterischen Richtlinien usw. Oft hat man einen einzelnen Gedanken zu einem solchen Element, der als Idee sofort festgehalten werden sollte. Das Spielkonzept besteht also letztlich aus einer Sammlung vieler einzelner Gedankenfragmente.
  • Gedanken sind multimedial. Die Handlung oder Spielmechanik kann zwar textuell formuliert werden, doch spielen Bilder und Mediendaten eine große Rolle in der Spielekonzeption. Zeichnungen und Skizzen sind ebenso wichtig wie konkreten Medienbeispiele (Moodsamples), die einen bestimmten emotionalen Eindruck widerspiegeln und zur gedanklichen Vorabvisualisierung der Idee essentiell beitragen. Ein Spielkonzept besteht also aus einer Sammlung von unterschiedlichen Medientypen.
  • Gedanken sind mehrfach und wechselseitig verknüpft. Die zuvor beschriebenen multimedialen Gedankenfragmente stehen miteinander in wechselseitiger Beziehung. Charaktere tauchen z.B. als Darsteller in Handlungsfragmenten auf und Inventargegenstände können an bestimmten Orten erworben werden. Für die grafische Gestaltung eines Orts liegen z.B. Bildbeispiele vor. Dabei sind zwei Eigenschaften wichtig: einerseits handelt es sich zunächst um 1:n-Beziehungen, d.h. ein Element kann auf mehrere andere Elemente zeigen. Beispielsweise kann eine Handlung auf Ort, beteiligte Personen und Regieanweisungen zeigen. Andererseits sollte diese Beziehung zumindest zu Organisationszwecken in beide Richtungen sichtbar sein. Die Beziehung Objekt → befindet sich an → Ort bedeutet umgekehrt Ort → enthält → Objekt. In einem Spielkonzept bestehen also inhaltliche oder organisatorische Beziehungen zwischen den Gedankenfragmenten.
  • Gedanken müssen überschaubar organisiert werden. Um nicht zu viel Aufmerksamkeit in die Verwaltung der einzelnen Fragmente stecken zu müssen und trotzdem den Überblick zu behalten, sollen die beschriebenen Inhalte auf eine Art und Weise präsentiert werden, die gut handhabbar ist und gleichzeitig die komplexe Datenmenge und ihre Beziehungen berücksichtigt. Schreibt man die Inhalte z.B. in ein Textdokument, so ist dieses gut überschau- und bearbeitbar. Hyperlinks und Strukturansichten ermöglichen zwar die Navigation zwischen den Segmenten doch bleibt die Linearität der Textanordnung statisch vorgegeben. Dateien wie z.B. Bilder sind, etwas in Word-Dokumenten, in der Datei enthalten und blähen diese auf. Organisiert man Bilder und Mediendateien als separate Dateien im Dateisystem so ist die Unabhängigkeit der Fragmente zwar gegeben, doch fehlt der Überblick sowie die Möglichkeit Metadaten zuzuordnen. Das Spielkonzept sollte also dynamische Abfragen unterstützen, die einzelne Fragmente ebenso unterstützt wie durch Filterung definierte Untermengen und Beziehungen zwischen den Elementen.
  • Sowohl die Eigenschaften relationaler Datenhaltung sowie die Handhabbarkeit einer lokalen Datei sollen gegeben sein. Ideal wäre also ein System, das das Hinterlegen von unabhängigen multimedialen Fragmenten und deren gegenseitige Verknüpfung unterstützt. Im Prinzip braucht man eine relationale Datenbank. Lösungen wie z.B. lokale oder entfernte MySQL-Webserver können eine Lösung sein. Jedoch stört mich daran, dass sowohl die Systemeinrichtung als auch das Sichern, Archivieren und Wiederherstellen von Projekten relativ aufwändig und umständlich ist. Für meine kleinen Konzeptprojekte bevorzuge ich daher eine lokale Anwendung, die Daten in lokalen Dateien vorhält. Diese lassen sich dann einfach über das Dateisystem handhaben, sichern und öffnen/schließen, was der Charakteristik eines lokalen Dokuments entspricht.
 

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WikidPad als Organisationswerkzeug

Ich habe mehrere Werkzeuge ausprobiert. Microsoft’s OneNote geht z.B. in die richtige Richtung, scheint mir aber zu starr hinsichtlich der Formulierung von komplexeren Relationen zwischen Artikeln. Außerdem leidet das Tool unter den üblichen MS-Schwächen (z.B. Probleme mit relativen Links) und wirkt insgesamt recht unorganisiert. Lösungen wie Evernote bieten bessere Organisationsmöglichkeiten, speichern aber alles auf einem Webserver. Datenschutzfragen müssen hier ebenso bedacht werden wie die stetige Notwendigkeit einer Internetverbindung. Die Handhabung der eigentlichen Daten, deren Sicherung und Archivierung und Wiederherstellung liegt in der Software und erfordert ein gewissen Vertrauen in das Unternehmen.

Letztlich bin ich bei WikidPad gelandet. Es handelt sich um ein OpenSource-Projekt, das in Python implementiert ist. Durch die Kompilierung zu einer ausführbaren Datei ist für den Endanwender jedoch kein Unterschied zu herkömmlichen Programmen bemerkbar. Wie der Name schon sagt, liegt das Ziel der Anwendung darin, die Mechanik eines Wikis mit der eines Notizbuchs zu vereinen. Sie arbeitet als lokales Programm, mit lokalen Dateien, die jedoch über die Programmoberfläche strukturiert präsentiert werden.

Und morgen:

Im nächsten Teil zeige ich Dir konkrete Handgriffe zur Wissensorganisation mit WikidPad.

Dr. René Bühling

Hi, mein Name ist René und ich möchte Dir dabei helfen, deinen Traum vom eigenen Computerspiel Wirklichkeit werden zu lassen. Mein erstes kommerziell veröffentlichtes Spiel habe ich Mitte der 1990er Jahre als Hobby-Projekt mit einem Basic-Dialekt unter Windows entwickelt. Seither verfolge ich das Thema Spieleentwicklung in Hobby, Studium und Beruf. Ich habe über 20 Jahre Erfahrung in allen Phasen des Entwicklungsprozesses, die ich gerne mit dir teilen möchte.